Multimodalität des MIP
Verfasser: Dr., DP Ralf Vogt
Rudolf (2004, 2019) hat in seinen Ausarbeitungen für eine strukturbezogene Psychotherapie (vgl. ebd.) das psychoanalytische Modell einer Modifizierten analytisch-tiefenpsychologischen Psychotherapie als erweiterten Rahmen der Psychotherapierichtlinien in Deutschland entworfen. Sein Ziel bestand darin, den psychoanalytischen Indikationsrahmen für frühe Strukturstörungen zu verbreitern. Dazu werden verschiedene Ansätze und psychoanalytische Theorietraditionen miteinander synthetisiert: die klassischen postfreudianischen Grundlagen der Objektbeziehungstheorie nach Balint (1937, 1970), Kernberg (1978), der Relationalen Psychotherapie (Altmeyer u. Thomä, 2006) u.a., spätere Erkenntnisse der Bindungs- und Säuglingsforschung (Bowlby, 1951, 1980; Lichtenberg, 1981; Stern, 1979; Spitz, 1969), neuere analytische Konzepte der Mentalisierung bei Frühstörungen von Bateman und Fonagy (2009) sowie das interaktionelle Prinzip von empathisch-interaktiver Antwort von Heigl-Evers und Heigl (1987) u.a.. Hierdurch wird im Grunde der Paradigmenwechsel in der Psychoanalyse – in Relation zur frühen Psychoanalyse –, der sich allgemein seit den 1990er Jahren zunehmend durchgesetzt hat, fortgesetzt und modernisiert.
Für den Bereich der Kinder und Jugendlichen hat Rudolf eine parallele Konzeption mit Horn (Horn u. Rudolf, 2002) entworfen und an diesen therapeutischen Trend angepasst.
Durch diese Meilensteine in der analytisch-tiefenpsychologisch Psychotherapie ist auch eine neue Methodenvielfalt erforderlich und möglich geworden, die wir im Rahmen dieser konzeptionell erweiterten Modifizierten Analyse- und Tiefenpsychologiekonzeption als Multimodalität bezeichnen können. Die methodische Öffnung für kreative und variablere Settings, die über die bisherigen hinausgehen – das klassische im Liegen oder das dyadische Interaktionssetting im Sitzen –, ist auch theoretisch zu belegen, was im Folgenden ausgeführt werden soll.
In Rudolf (2004, 2019 u.v.a.) wird begründet, dass die Übertragungs- und Widerstandsarbeit in der klassischen Form mit Konfrontationen mittels Deutungen aufgrund der fragilen ICH-Zustände bei frühen Störungen nicht die hauptsächliche Arbeitsweise in der Psychotherapie sein kann. Stattdessen sind multimodale Mittel hilfreich und teils auch notwendig, die anders als in der dyadischen Beziehungsarbeit eine neue Art der triadischen Methodik erlauben, bei der KlientInnen mit dynamischen Entwicklungsdefiziten schonender in die analytisch-tiefenpsychologische Behandlungsarbeit eingeführt und zu adäquaten Erkenntnissen und neuen Beziehungserfahrungen gebracht werden können, ohne dass indessen der analytische Gesamtrahmen verloren geht.
Das modifiziert Triadische oder der Objektdritte bei der therapeutischen Arbeit können dabei sowohl eine methodische Erweiterung der Arbeit am Symptom als Innerem Objekt der Psyche des Patienten, als auch eine Erweiterung mittels eines Äußeren Objekts als Symbol und Ausdrucksmittel für die patientenseitigen Projektionen sein. Es geht also sowohl um beziehungsseitige als auch um methodische Modifikationen, um adaptiv eine breitere Indikation der psychoanalytischen Arbeit zu gewährleisten.
Geißler (1994) spricht in seiner Konzeption einer körperorientierten analytischen Psychotherapie von einem beziehungsseitigen Arbeiten AN der Übertragung (vgl. auch die Konzeption von Vogt, 2004 u. später). Auch bei Moser (1994), Heisterkamp (2002) und Maaz (1997a, b) wird diese Beziehungsarbeit bzw. -struktur bei der therapeutischen Arbeit mit dem Körper umgesetzt. Somit wird nicht mehr das unbewusste, mit Konflikten verwickelte Körpersymptom in einer vorrangig konfrontativen Deutung operationalisiert, sondern als interaktives Symptom des Klienten gemeinsam erspürt und in einen Ausdruck gebracht, so wie es der Pionier der analytischen Körperpsychotherapie, Wilhelm Reich (1933), schon in den 1930er Jahren begonnen hat. Der Unterschied zur Herangehensweise von Reich ist aber, dass der frühgestörte PatientInnen heute mehr Subjekt des gemeinsamen Interaktionsgeschehens bleibt. Wilhelm Reich hatte in seinem experimentellen Vorgehen nämlich noch zu häufig – gemäß dem medizinischen Krankheitsmodell seiner Zeit – den Körper der KlientInnen als Objekt betrachtet; Therapieinterventionen als Anweisungen zielten folglich teils auf eine Körpersymptombearbeitung, in deren Mittelpunkt häufig die Körperkatharsis stand (vgl. Kritik von Geißler, 1994). Diese Vorgehensweise wird heute bei frühen strukturellen Störungen als zu riskant angesehen, weil sie zu unerwarteten malignen Regressionen (Geißler, ebd.) oder unreflektierten Täterintrojektchronifizierungen, mitunter auch Täterimplantatswitchen (vgl. Vogt, 2012, 2020 u.a.), führen kann. Im Gegensatz dazu steht in der heutigen Zielstellung die körperorientierte Methodikerweiterung mittels des Körpers als Dritten, sodass strukturelle Störungen eher durch ein fokussiertes Arbeiten mit der Modalität des Körpers behandelt werden können – dazu dienen etwa das Konzept der ACHTSAMKEIT (vgl. Schellenbaum, 2001; Weiß und Frank, 2002; Geuter, 2015), das psychagogische gemeinsame Suchen nach einem klientenplausiblen Körperausdruck, das indizierte Einladen zu spezifischen Experimenten (Thielen, 2009, 2013) sowie das psychagogische Überführen eines innerseelischen Problems in eine externe verkörperte Objektgestalt (Vogt, 2004, 2007, 2018) mithilfe sogenannter Beseelbarer Therapieobjekte und externaler Anteilestrukturbilder wie Ringe- und Stuhlsettings oder Ähnliches.
Mit seinem Behandlungsmodell für die Psychodynamische Einzelpsychotherapie hat Maaz (1997a) einen analytisch-tiefenpsychologischen kombinierten Behandlungsansatz vorgestellt, der sowohl zeitgemäße körperorientierte analytische Therapiesettings in den Rahmen der therapeutischen Beziehungsarbeit im o.g. Sinne integriert, als auch eine fokussierte Beziehungsarbeit einschließt. In dieser Konzeption gelten besondere Regeln der interaktiven Echtheit und Selbstkongruenz, wie sie auch für frühe Störungsmuster nützlich und notwendig sind. Diese analytischen Interaktionsmuster entsprechen praktisch dem Prinzip der empathisch-realitätsbezogenen Antwort, wie es auch im Modell von Heigl-Evers und Heigl (1987) propagiert wird. Dies bewirkt, dass unnötige Projektionen, wie sie bei Frühstörungen relativ häufig auftreten, nicht so sehr Gefahr laufen in eine paranoide Distanz abzudriften. Außerdem wird der Realitätsaspekt der gegenseitigen Bezogenheit in der intersubjektiven Szene (vgl. Mitchell, 2005; Luborsky, 1999; Thomä u. Kächele, 1984) nie außer Acht gelassen und auch im Falle einer neurotischen Artikulation eines strukturell gestörten Patienten dessen realitätsbezogener Gehalt bzw. Teilgehalt, zum Beispiel bei einer evtl. aggressiven Beziehungsattacke gegen den Therapeuten, herausgefiltert. Insofern wird der Klient in seiner Not mit dem verstehbaren Kern seiner Beziehungswahrnehmung ernst genommen.
Im Deutungskontext der traditionellen Psychoanalyse wäre in einem klassischen analytisch-tiefenpsycholgischen Setting eher eine zurückhaltende Distanzierung des Behandlers und eine konzept-beziehungsgeleitete Intervention wahrscheinlich gewesen, gepaart mit einer möglicherweise ödipalen Deutung eines neurotischen Machtkampfes, insofern die Form der PatientInnenaussagen auf schwere Projektionen hinweisen würde. Maaz arbeitet hier im Kontrast dazu z.B. mit einer Doppelstrategie: Zum einen geht es um ein gutes Verstehen der dynamisch vorgetragenen bzw. zum Teil agierten Kommunikationsangebote, zum anderen kann der Therapeut seine eigene emotional erlebte Gegenübertragung direkt einbringen, um so das Realitätswahrnehmungsprinzip in Bezug auf den Klienten zu stärken. Dieses Vorgehen entspricht somit dem Ansatz der modernen Relationalen Tiefenpsychologie und Psychoanalyse (Altmeyer u. Thomä, 2006). Indem reflektierende Metaebenen technisch mit einbezogen werden, kann im Erleben des Klienten sowohl die partnerschaftliche Gleichwertigkeit gestärkt als auch insgesamt seine störungsbedingte Destruktivität in differenzierter Weise begrenzt werden. In Vogt (2013, S. 75-80) wird bei der Übertragung generell zwischen den Aspekten Realität, Überzeichnung und Verkennung unterschieden. In der klassischen analytischen Methodik steht häufig zunächst den Verkennungsaspekt im Fokus, da Sigmund Freud hier umfassende Vorleistungen in seinem Werk hinterlassen hat (vgl. Freud, 1939). Würde man nun frühgestörte KlientInnen nach dieser Elle messen, so hätten sie aufgrund der bei ihnen häufig noch wenig differenzierten Kommunikations- und Beziehungsfähigkeiten mitunter keine echte Chance, das partnerschaftliche Bindungs- und Beziehungsangebot der Psychotherapie anzunehmen, weil der Ton für den Therapeuten beispielsweise ödipale Konkurrenzthemen nahelegt. In der Maaz’schen Konzeption können sich beide, sowohl der Klient als auch der verwörternde und transparente Therapeut, auf Augenhöhe mit einem vereinbarungsfähigen Beziehungsfokus treffen. Dieser ermöglicht beiden Seiten eine öffnende beziehungskongruente Antwort sowie eine emotional-verlässliche Vereinbarung im Rahmen des Behandlungskontextes. Körper und Seele sind in dieser psychodynamischen Interaktion verschiedene Medien desselben Austauschrahmens.
Eine andere multimodale Erweiterung, die sich im Rahmen einer modifizierten analytisch-tiefenpsychologischen Psychotherapie anbietet und von der eine große Zahl frühgestörter KlientInnen profitieren kann, ist die Katathym-Imaginative Psychotherapie (KIP), wie sie von Leuner in den 1960er Jahren entworfen wurde und heute von einer Vielzahl von Kollegen angewendet wird (vgl. Leuner, 1962, 2012). Hennig und Fikentscher (1996) haben diesen Ansatz im mitteldeutschen Raum für ambulante und klinische Patienten sowohl im Neurosebereich als auch bei Frühstörungen zur Anwendung gebracht und vertieft. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten konnte belegt werden, dass die Imagination gerade bei strukturellen Störungen als auch zu Beginn einer allgemeinen Psychotherapie eine fundamentale diagnostische Quelle für nichtsymbolisierte Fragmente als auch für symbolisierte Muster von psychischen Störungen sein kann. Das Dritte ist hier der imaginierte Raum der KlientInnen, in welchem sie sowohl Teile ihrer eigenen seelischen Störung projektiv externalisieren als auch die aktuelle therapeutische Beziehung mit ihren Mitteln in visuellen oder vorgestellten Bildern symbolisiert abbilden können. Da die KIP-Regieprinzipien der TherapeutInnen immer den Phasenkriterien des Behandlungsverlaufes und dem individuellen Stand der Einsichtsfähigkeit des Klienten entsprechen, ist hier ein sehr modifiziert-adaptives psychotherapeutisches Begleiten möglich und notwendig. Diese beziehungsseitige imaginativ-modale Anpassung der TherapeutInnen ist gerade für strukturelle, frühe psychische Störungen eine fruchtbringende psychotherapeutische Behandlungskonzeption. Das ist dadurch bedingt, dass diese KlientInnen nicht ausschließlich verbal mit symbolischen Sprachmitteln über ihre gefühlten Defizite und Symptome Auskunft geben können und auch beziehungsseitig eher Furcht vor einer unklar-distanzierten Beziehungsgestaltung haben. So wird der imaginativ-modale Zugang zur störungsgerechten modifizierten Form der analytisch-tiefenpsychologischen Behandlungsarbeit, weil das Medium Imagination strukturell veränderte Ausdrucksmöglichkeiten zulässt und so als das Dritte in die Darstellungswelt integriert. Das zeigt abermals, dass eine methodische Öffnung des allgemeinen klassischen Therapiesettings eine sinnvolle und indizierte Erweiterung des Behandlungsspektrums darstellt, ohne dass wichtige Prämissen der traditionellen Arbeit wie die Theoriebausteine der Übertragung, Gegenübertragung und Deutungsarbeit grundsätzlich verworfen werden. Vielmehr ermöglicht die Einbeziehung des Dritten als Medium, also hier des Projektiv-Imaginativen Inneren als Bildschirm des Klienten, eine indirektere und effektivere Zugänglichkeit der analytischen Behandlungsgegenstände. Die Entdynamisierung des psychotherapeutischen Vorgehens berücksichtigt die Vulnerabilität der schwierigen Beziehungsgestaltung bei frühen, strukturellen Störungen. Man könnte sogar sagen, dass im Gegensatz dazu eine zu enge Fixierung auf ein klassisch-traditionelles Vorgehen aufgrund der größeren Neigung zu Täterübertragungen dieser PatientInnen zu einem Mehr an dynamisch-aggressiver Abwehr mit existenziellem Charakter führen könnte – oder eben zu einem frühen Zusammenbruch des Abwehrsystems wie depressiver Regression, psychosomatischen Symptomentfaltungen oder unbewusst agierenden Aggressionen vielfältiger Art (vgl. Vogt, 2012, 2020).
Luise Reddemann (2001, 2004) plädiert außerdem für mehr ressourcenorientiertes Vorgehen im Rahmen der Imaginativen Psychotherapie, so wie es u.a. auch von Rudolf (2004, 2019) als ICH-stützende Therapieform im Bereich der analytisch-tiefenpsychologischen Psychotherapie bei strukturellen Störungen favorisiert wird. Reddemann (ebd.) hat als führende Psychoanalytikerin der Imaginativen Psychotherapie im deutschsprachigen Raum ihren Ansatz explizit auf PsychotraumapatientInnen ausgerichtet und fruchtbare Settingerweiterungen mit Formen der Amplifikation mittels Metaphern von Kunst und Kulturhistorie geschaffen, so wie es bereits C.G. Jung u.a. Anfang des letzten Jahrhunderts angeregt und praktiziert haben (vgl. Jung, 1967).
Mir selbst sind diese o.g. Verfahren der körper- und imaginationsorientierten Psychotherapie auch aus meinen psychotherapeutischen Ausbildungsjahren gut vertraut, sodass ich theoretische und praktische Erkenntnisse dieser tiefenpsychologisch-analytischen Pioniere und die praktizierten maßgeschneiderten Erweiterungen der Anwendungsindikation auf frühe/strukturelle Störungen heute mit Nachdruck bestätigen kann.
Im psychotherapeutischen Prozess meiner eigenen Spezialisierung im noch jungen Feld der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse habe ich mich, zusammen mit meiner Ehefrau, etwa seit dem Jahr 2000 mehr und mehr den Komplextraumatisierten bzw. Dissoziativen Psychotraumafolgestörungen zugewandt (vgl. Vogt, 2004, 2007, 2013).
Auch in unserem Behandlungsansatz SPIM 30 sind die o.g. Elemente der Einbeziehung von Körperlichkeit, Imagination, Ressourcenorientierung inklusive der supportiven Beziehungsgestaltung der genannten AutorInnenkollegen enthalten (vgl. ebd.), wozu natürlich auch Implikationen der Bindungs- und Säuglingsforschung moderner Prägung gehören (vgl. Stern, 1996 sowie Trautmann-Voigt und Voigt, 1996 u.v.a.).
Die Einbeziehung des Dritten in der spezifizierten Form der Behandlung von dissoziativen Traumafolgestörungen bestand nun darin, wiederum methodische Settingerweiterungen für die analytische Übertragungs- und Beziehungsarbeit zu schaffen, um die Entwicklung einer strukturadäquaten Einsichtsfähigkeit in psychodynamische Traumastörungszustände und deren konflikthafte Wechselwirkungen zu ermöglichen. Darüber hinaus habe ich gemäß dem Junktim von Freud (Aussage 1927, zit. in GW 14, 1956, S. 293), in dem er in der Psychoanalyse vom Praktiker eine Haltung von Heilen und Forschen erwartet und fordert, um diese junge Wissenschaft stetig effektiver zu machen, im Bereich der stetig weiter zu entwickelnden Behandlungsmethodik von Psychotraumata neue Wirkungsräume erforscht. Dabei sind neuartige multimodale Settings für die analytisch-tiefenpsychologische Behandlung früher, struktureller Störungen entstanden (vgl. Vogt, 2004, 2007 und später). Leider wissen wir über S. Freud entgegen dieser Junktim-Aussage auch, dass er restriktive Haltungen gegenüber seinen Schülern einnahm, wenn diese seinem Eindruck nach von seinen Theorien abwichen (vgl. Texte über die Freudschüler Wilhelm Reich und Sandor Ferenczi bei Kollbrunner, 2001, S. 221-227; Roudinesco u. Plon, 2004, S. 243-246 und 847-853; Nitzschke, 2002). Wie dem auch sei – zur besseren Bewusstmachung und Bearbeitung von schweren Projektionen bei frühen/strukturellen Störungen habe ich auch Therapiemedien als quasi verdinglichte Mittel entwickelt, die eine beseelte Symbolisierung wichtiger Problematiken von schwer traumatisierten Menschen ermöglichen. Dadurch ist das triangulierende Dritte in der psychotherapeutischen Beziehung jetzt ein wirklich sichtbarer und ggf. auch berührbarer Symbolisierungsgegenstand in der Behandlungsarbeit. In Vogt (2004, 2007 bzw. auch in 2013, 2018, 2020) sind diese Beseelbaren Therapieobjekte zumeist farblich abgebildet und in diversen Settingkonstellationen zu sehen (vgl. ebd.). Diese Symbolisierungsobjekte können nun als experimentelle Erweiterung des für PatientInnen erlebbaren Übertragungsrahmens angesehen werden, weil sie zum einen atmosphärische Übertragungsräume antriggern helfen, die gerade bei PsychotraumapatientInnen recht schnell von selbst entstehen, im Rahmen klassischer Methodenbegrenzung aber eher als eine Störgröße als denn eine Hilfe erscheinen würden. Für das dissoziative Gedächtnis von komplextraumatisierten Menschen können diese Medien Brücken für spontane Erinnerungseinfälle sein (vgl. Vogt, 2007, 2018, 2020 u.a.). Zum anderen sind diese Übertragungsobjekte auch häufig negativ-beseelte Repräsentanten der traumatisch symbolisierten Problemwelt im therapeutischen Modellraum. Dieses gestalttherapeutische Anzapfen von schweren und schwersten Übertragungsstörungen bei dissoziativen PsychotraumapatientInnen ist möglich, weil gerade dieses Klientel durch zwischenmenschliche Gewalt, zumeist von nahen, wichtigen Bezugspersonen, fahrlässig oder vorsätzlich traumatisiert wurde (vgl. Vogt, 2016) und somit offenkundig oder unterschwellig ein schweres Triggerpotenzial mit Bedrohungserleben aufweist. Das gilt unterschwellig auch dann, wenn der bewusste Kontakt des Klienten zum Therapeuten allgemein freundlich erscheint und die Rahmenbedingungen der Therapie reflektiert werden. Diese Problematik, die bei zwischenmenschlich traumatisierten KlientInnen existiert und quasi als Kern der Bindungs- und Beziehungsstörung angesehen werden kann, habe ich ab 2012 im Konzept von Täterübertragungen, Täterintrojekten und Täterbindungen zunehmend ausführlicher beschrieben und hinsichtlich ihrer Genese durch Fallstudien analytisch erklärt (vgl. Vogt, 2012, 2013, 2016, 2018, 2020). Es gibt nämlich Übertragungsfixierungen bei diesen zwischenmenschlich frühtraumatisierten Menschen, die selbst durch ein partnerschaftliches Ansprechen nicht nachlassen oder sogar durch ein wohlwollendes Ansprechen noch größere Vorsicht und Distanz der traumatisierten KlientInnen gegenüber ihren TherapeutInnen erzeugen. Die komplextraumatisierten KlientInnen erspüren in dissoziativer Weise hierbei oft eine beziehungsseitige Überlegenheit des anderen, die sie in ihrem starken Kontrollbedürfnis bzw. in der stetigen Furcht vor Vernichtung in unterlegenen Beziehungen pathologisch an die Verursacher der Störung erinnert bzw. atmosphärisch in Alarmbereitschaft hält. Das Beseelbare Therapieobjekt – bspw. der Rote Riesenklotz – zieht nun bei einer gewissen produktiven Arbeitshaltung des Klienten im Therapieprozess die negative Triggeratmosphäre auf sich und kann so als Projektionsmedium, das den äußeren einstigen Hauptverursacher symbolisiert, aber auch einen „Restteil“ von Affekten gegen den aktuellen Nebenauslöser, den Therapeuten in der aktuellen Therapieszene, auf sich ziehen kann, triangulierend verwendet werden. Insofern wirkt das durch die frühgestörten Klienten per intuitiver Triggerkraft ausgewählte atmosphärische Projektionsobjekt tatsächlich wie ein beseelter verdinglichter therapeutischer Helfer, welcher vorrangig die negative Übertragungsenergie der reinszenierenden Kraft aufnimmt und so den Psychotherapeuten von der aggravierten oder verkennenden Projektionskraft entlasten kann. Dadurch mildert sich die Täterübertragungsfixierung des Klienten auf den Psychotherapeuten und es kann wieder AN der Übertragung bzw. der verursachenden Herkunft der Triggerreize gearbeitet werden. Dazu können auch im Rahmen von fokussierter Szenenarbeit unternommene experimentelle Untersuchungen dienen, indem belastende fragmentarisch erinnerbare bzw. bis dato unstrukturierte Erlebnisse aus dem Material des Unbewussten erforscht werden.
Mithilfe rollenspielartiger Statement- und Echosettings (vgl. Vogt, 2013, S. 145-151 sowie Fotos in Vogt 2018, 2020) können auch beseelte Täterbindungsszenarien der frühen strukturellen Störungen in ein Gestaltbild gebracht und mit psychodramatischen Mitteln gelockert werden, was ebenfalls die psychotherapeutische Arbeitsbeziehung entlastet. Nicht zuletzt sind in Vogt (2007, S. 208-2017; 2013, S. 131-224 und später) Täterintrojektsettings aus dem SPIM 30-Programm skizziert, durch deren Anwendung man die schwierigste Seite von Menschen gemachter psychischer Gewalttraumata bearbeiten kann. Schwer erkennbare Gewalt- und Rachefantasien, dysphorische Grundstimmungen, impulsive Aggressionsdurchbrüche und paranoid-destruktive Beziehungsattacken belasten die analytisch-tiefenpsychologische Behandlungsarbeit erheblich. Das wurde meines Erachtens zu Beginn der modernen Traumatherapie etwas unterschätzt, muss aber einbezogen werden, wenn man auf ein adäquates Therapieren des heutigen Resultates von zwischenmenschlichen Gewaltkatastrophen abzielt. Frühgestörte KlientInnen mit strukturellen Störungen dieser Couleur werden im SPIM 30-Programm deshalb zunächst einer ausführlichen und sehr anschaulichen Psychagogik unterzogen, wodurch sie die unbewusst-automatisierten, nicht verschuldeten Mechanismen im psychophysiologischen Apparat bzgl. der bis dato nicht wahrgenommenen gewaltindizierten Introjektionen, Implantationen und Konditionierungen/Programmierungen studieren können. Dadurch werden die aggressiven Potenziale solcher autodestruktiver wie interaktiv zum Teil vernichtender Kräfte entdynamisiert und in der heutigen Psychotherapie in die therapeutische Verantwortung des Patienten gebracht, statt weiter als interaktive Regulationsmuster im HEUTE ausagiert zu werden. Bausteine dieser Psychagogik zur Gewaltintrojektion können in Vogt (2012, S. 31-82; 2016, S. 146-153; 2020, S. 161-172) nachgelesen werden. Wichtig ist, dass diese frühgestörten KlientInnen über das Schema der Schweregrade von Regulationsstates (vgl. Vogt ebenda) die Prägungsformen der Gewalt in der menschlichen Psyche verstehen lernen und auch spontane Impulse nicht als durchweg angeboren oder objektiven Ausdruck des eigenen ICH-syntonen Willens missverstehen, wie Impulse des eigenen psychischen Apparates ohne alternative Reflexionsmodelle den KlientInnen anmuten mögen. Ebenso sollen unsere traumatisch schwer geschädigten KlientInnen nicht in das Gegenteil verfallen und die automatisierte Gewaltimpulsprägung für eine latente Schizophrenie halten, wenn gewalttätige innerpsychische Bilder oder akustisch-destruktive Kommentare mit Sogwirkung im Seelischen aufbrechen und zunächst nur schwer kontrolliert werden können.
Deswegen stellt eine seminaristische Aufklärung immer den lohnenswerten Beginn einer modifizierten multimodalen analytisch-tiefenpsychologischen SPIM 30-Psychotraumatherapie für strukturell gewalttraumatisierte, dissoziative KlientInnen dar. Ohnehin ist das Zeitgeistwissen unserer Gesellschaft auf einem ungenügenden Stand. Gerade in Deutschland ist man in kurzer Folge durch zwei verheerende Weltkriege gegangen, in deren Anschluss Jahrzehnte lang die Bevölkerung keineswegs die entstandenen gewalttraumatisierenden Opfer- und Täterprägungen aufarbeiten konnte oder zum Teil wollte (vgl. Mitscherlich & Mitscherlich, 1977). Insofern werden die Einflüsse von transgenerationalen Opferübertragungen, z.B. in Form von weitergegebener Depressivität und Leere, sowie die Auswirkung von transgenerationalen Täterintrojekten, etwa in Form von cholerischer Aggressivität und zwanghafter Destruktivität, gesellschaftlich nicht adäquat wahrgenommen, geschweige denn versstanden und in der Breite von Schule bis Seniorenheim thematisiert. Das spüren wir auch täglich bei unseren KlientInnen. Gerade bei frühen/strukturellen, dissoziativen Störungen planen wir daher im analytisch-tiefenpsychologisch modifizierten SPIM 30-Programm rationale wie emotionale Phasen zur psychagogischen Veranschaulichung und Nachreifungszeit in puncto Wissen ein, denn auch dies hilft, Aspekte von agierenden Beziehungskonstellationen zwischen KlientInnen und PsychotherapeutInnen zu entdynamisieren. Die psychagogisch-dynamische Anteilearbeit mit dem Ringesetting (vgl. Vogt, 2013, S. 133-223; Fotos in Vogt, 2018, S. 220-223) stellt dabei eine weitere objekterweiterte Multimodalität dar, mit der in entdynamisierter interaktiver Beziehungsspannung in analytischen Settings bei o.g. TraumapatientInnen sehr effektiv gearbeitet werden kann.
Letztlich bleibt die Arbeit trotz intensiver Aufklärung zur Schaffung einer mündigen Klienten-Behandler-Beziehung noch immer und trotz alledem schwierig genug. Die modifizierte Form der Analysearbeit gibt die Theorie vor, die multimodale Ausführung ist als intersubjektive und interaktive Praxis dieser analytisch-tiefenpsychologischen Behandlungsarbeit anzusehen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die o.g. Herleitungen zu den möglichen und sinnvollen analytisch-tiefenpsychologischen Modifikationen und Multimodalitäten in der theoriegeleiteten Settingvariabilität einander bedingen und therapeutisch stimmig zusammengehören. Das steigert den Sinn und die Effektivität des psychotherapeutischen Denkens nicht nur bei schweren frühen Strukturstörungen, sondern in der modernen psychotherapeutischen Arbeit überhaupt.
Anmerkung
Auszüge aus einem persönlich verfassten Fallbericht können unter dem Button „MIP-Mitglieder über sich“ nachgelesen werden.
Fallbeispiele der Kollegen der anderen Fachbereiche werden dort ebenfalls unter deren Namen einsehbar sein.
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